Editorial über die Fotografin Yvonne Oswald
Sie malt mit der Kamera
Zu den Fotografien von YVONNE OSWALD
Yvonne Oswald „schaut so lange, bis sie sieht, was sie sehen will“. Sie nimmt ihre Umgebung mit einem sehr engagierten Bewusstsein wahr, das vor allem gesellschaftskritisch und gesellschaftspolitisch geprägt ist. Das Objekt, das ihre Aufmerksamkeit aufgrund ihrer sehr persönlicher Anteilnahme auf sich lenkt, wird Inhalt des Bildes und die, manches Mal nur subtil transportierte, Narration hinter dem schönen Erscheinen eigentliches Thema. Die evidente Ästhetik der Fotografie ist oft ein Antagonismus zur grausamen Realität der Aussage. Der implizite, bisweilen krasse Dualismus ist frappierende Qualität von Yvonne Oswalds Arbeiten.
Die Künstlerin bearbeitet die Fotografien nie sekundär. Ihr Bild ist genau das, was es ist. Ohne manipulative Intervention über digitale Nachbearbeitung wird ein Fragment Realität präsentiert, das Aussagekraft aus seinem Erscheinen, aus dem von Yvonne Oswald bestimmten Fokus und dem effektiven Zeitpunkt ihrer Aufnahme hat. Die aufgefundene Lichtsituation, die farbigen Komponenten und die mittels dem Objektiv der Kamera vollführte Dramaturgie der Szenerie sind ausschlaggebend.
Gril zeigt eine grundlegende Einsicht in Yvonne Oswalds Werk. Aus mehreren Serien ist eine zwölfteilige Selektion gewählt, die charakteristische Motive und Ambitionen der Künstlerin zur heterogenen Gesamtschau umfasst.
Das Massaker von Srebrenica (1995) ist Vorort längst nicht bewältigt. Nahezu sämtliche unterstützende Organisationen haben sich zurückgezogen, „Bauern helfen Bauern“ ist eine der letzten noch tätigen NGOs, welche der verbliebenen Bevölkerung unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit Hilfe leistet. Yvonne Oswald begleitet die Hilfstruppe seit zwei Jahren und dokumentiert das Elend der aktuellen, kaum publiken, aber dramatischen hoffnungslosen Situation. In wunderbaren Fotografien enthüllt sie die herrschende Trostlosigkeit und Verzweiflung im Land. Die Schönheit der Aufnahmen stehen dazu in einem erschreckenden, doch faszinierenden Gegensatz.
Melancholie, Vergänglichkeit und Auslöschung ist oftmals ihr Thema. Vielmals verbirgt sich in der Ästhetik ein psychologischer Aspekt. Der hintergründige Kontext ist eine gesellschaftspolitische bzw. –kritische Perspektive der Künstlerin auf Phänomene wie das verfallende Südbahnhotel am Semmering, das eine eigene Werkgruppe in ihrem Oeuvre ist, oder das sukzessive Verschwinden von persönlichen Gegenständen eines Verstorbenen aus dessen ehemaliger Umgebung in der Serie „Was bleibt“. Populäre Lokalitäten in Ruhezeiten, wenn sie verlassen Stille und Einsamkeit vermitteln, zeichnen ein Sinnbild des auf sich zurückgeworfenen Seins. Oswalds eindringliche Stimmungsbilder „Außer Saison“ können auch allegorisch gelesen werden. In der impressionistisch erscheinenden Serie der „Reflektionen“ werden Fragmente der Realität ins Abstrakte transformiert, die malerische Qualität von Yvonne Oswalds Fotografien wird unmittelbar präsent.
Mag. Margareta Sandhofer
Kulturjournalistin
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